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Montag, 24. August 2020

Aus dem Alltag eines Uhrmachers: Die Wasserdichtigkeit

Aus dem Alltag eines Uhrmachers: Die Wasserdichtigkeit


Diesen Bericht habe ich für das Magazin von Chrono24 geschrieben:

 

Ulrich Kriescher ist Uhrmachermeister und berät als solcher täglich Kunden in 

Servicefragen – in seiner Uhrmacherwerkstatt und auch im TV. 

Bei uns widmet er sich den häufigsten Fragen, die ihm in seinem Berufsalltag 

begegnen. In diesem Artikel geht es um Folgende: 

Ist meine Uhr wirklich wasserdicht? 

Und welche Faktoren beeinflussen die Wasserdichtigkeit einer Uhr?

 

Seit ca. 45 Jahren ist das Thema wasserdichte Uhren Gegenstand fast jeder 

Uhrenwerbung. Die Angabe zur Wasserdichtigkeit mittlerweile ein fester Bestandteil

der technischen Spezifikationen. 

Für einige Marken ist die Kennzahl so etwas wie ein Aushängeschild für bestimmte

Modelle geworden. Sie überbieten sich in Katalogen und Anzeigen damit,

wie tief man mit diesem speziellen Modell tauchen kann. 

Was vielen Käufern dabei jedoch nicht bewusst ist:

Hier ist Vorsicht geboten. Uhren und Wasserdichtigkeit, dass ist ein ganz spezielles

Thema, mit dem ich in meiner Tätigkeit als Uhrmacher und Gutachter sehr oft zu

tun habe. Denn viele Verbraucher glauben, dass Ihre Uhren ein Leben lang wasserdicht

sind. Dem ist nicht so!

 

Das beeinflusst die Wasserdichtheit einer Uhr

Ein Uhrengehäuse wird aus mehreren Materialien zusammengesetzt, die sich bei Temperaturschwankungen unterschiedlich stark ausdehnen können. Damit man die Wasserdichtigkeit trotzdem gewährleisten kann, gibt es spezielle Konstruktionen

mit eingebauten Dichtungen – diese unterliegen aber einem natürlichen Alterungsprozess.

Wer sich näher mit diesem Thema auseinandersetzen möchte, der wird in der

Norm DIN 8310 fündig. Darin kann man unter anderem lesen: „(…) nach jedem Stoß,

Kontakt mit Chemikalien und Wärmebeeinflussung muss die Wasserdichtigkeitinfrage

gestellt werden“.

Das bedeutet zum Beispiel, dass selbst ein Stoß gegen die Tischkante oder einen

Türrahmen dazu führen kann, dass die Wasserdichtigkeit nicht mehr gegeben ist.

Auch ein Kontakt mit Chemikalien ist nicht so unwahrscheinlich wie man denkt.

Hier reicht es beispielsweise, wenn man sich die Hände mit Seife wäscht und diese in

Kontakt mit der Uhr kommt.

Selbst in solch alltäglichen Situationen wie Schwimmen, Springen ins Wasser und Duschen ist Vorsicht geboten. Hier kann kurzfristig durchaus ein größerer Druck auf die Dichtelemente entstehen. Besonders gefährdet sind Uhren, wenn man nach einem Sonnenbad

ins kühle Nass springt. Aufschlagdruck und Unterdruck durch die Abkühlung addieren sich und können so leicht zu Schäden führen. Aus genau diesen Gründen ist meine grundsätzliche

Aussage nach einer bestandenen Wasserdichtigkeitsprüfung immer:

„Zum Zeitpunkt der Prüfung wasserdicht“.

 

Wie äußert sich ein Wasserschaden?

Ob Feuchtigkeit in ein Uhrengehäuse gelangt ist, kann man leicht erkennen.

Beim Tragen der Uhr erwärmt sich das Gehäuse. Der kälteste Punkt ist dabei immer

das Uhrenglas. Da sich Feuchtigkeit immer am kältesten Punkt sammelt, beschlägt das

Uhrenglas, auch wenn nur ein wenig Feuchtigkeit ins Uhrengehäuse gelangt ist.

Nicht selten passiert das auch durch Beschädigungen oder Verschleiß in Form von alten

Dichtungen, defekten Kronen, Drückern oder Gläsern. Ein Fall ist mit hier besonders im

Gedächtnis geblieben: Eine Rolex GMT Master, die nach einem Bad im Mittelmeer

buchstäblich „abgesoffen“ ist. Das aggressive Salzwasser hat das komplette Innenleben

zerstört – inklusive Uhrwerk, Zifferblatt und Zeiger.

Nach dem Öffnen kam nur noch ein Klumpen Rost zum Vorschein.

Die Kosten des Schadens: ca. 5000 EUR.

Der Grund für den Wassereinbruch war eine defekte Glasdichtung.

 

Die Wasserdichtigkeitsprüfung

Dieses Beispiel aus dem wahren Leben schmerzt wohl jeden Uhrenenthusiasten

schon bei der Vorstellung – und zeigt anschaulich, dass Wasserdichtigkeit keine

bleibende Eigenschaft ist. Sie sollte jährlich und insbesondere vor besonderen

Belastungen überprüft werden, da die eingebauten Dichtelemente in ihrer Funktion

und im täglichen Gebrauch nachlassen.

Weitere Tipps rund um die Wasserdichtigkeit Ihrer Uhr:

Die Krone sollte immer gedrückt oder verschraubt sein und sollte nicht unter Wasser

oder bei feuchtem Gehäuse bewegt werden.
Das Gleiche gilt für das Betätigen von Drückern.
Schützen Sie Ihre Uhr vor Stößen, Hitze, starker Hitze in Verbindung mit schockartiger

Abkühlung, Chemikalien und mechanischem Abrieb.
Suchen Sie sofort einen Uhrmacher auf, wenn Feuchtigkeit in Ihre Uhr eingedrungen

sein sollte.
Von Trockenversuchen z. B. auf einem Heizkörper, ist in jedem Fall abzuraten, weil die eingedrungene Feuchtigkeit nicht oder nur zum Teil aus dem Gehäuse entweicht.


Nun hoffe ich, dass dieser Artikel kein Show-Stopper für den kommenden Sommerurlaub ist. Natürlich können und sollen Sie Ihren Zeitmesser auch in der Freizeit genießen, eben nur

mit ein bisschen Vorsicht. So haben Sie sicher noch lange Freude daran!


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