In unserer Interview-Reihe auf fratello.de stellen wir Ihnen verschiedene Uhrenenthusiasten vor. Heute ist es Uhrmacher Uli Kriescher.
Uli Kriescher: Uli Kriescher (47) aus Würselen bei Aachen. Mir wurde das Uhrmacherhandwerk in die Wiege gelegt. Aus drei Generationen sind aus meiner Familie sechs Uhrmachermeister hervorgebracht worden. Ich bin einer davon. Schon mit drei Jahren habe ich unter dem Uhrmachertisch von meinem Großvater mit Weckerteilen gespielt.
Ich betreibe ein Uhrenfachgeschäft für kleine, innovative Uhrenmanufakturen und bin mit meinem Uhrmacher-Team auf die Reparatur & Revision von Rolex, insbesondere vintage Rolex spezialisiert.
Seit 15 Jahren bin ich öffentlich bestellter & vereidigter Sachverständiger für das Uhrmacherhandwerk und seit 2016 Uhrenexperte in der ZDF Sendung „kaputt und zugenäht“.
DM: Was ist eine besondere Uhr in Deiner Sammlung und warum?
UK: Ich habe keine Uhrensammlung!
Ich sammele altes Uhrmacherwerkzeug, restauriere es und arbeite damit.
Als gutes Beispiel dient die Herstellung eines Rades.
Wenn einer meiner Azubis ein Rad auf einer antiken Wälzmaschine selber hergestellt hat, ist das für mich und den angehenden Uhrmacher immer ein besonderes Gefühl.
Mit der gleichen Maschine und derselben Arbeitstechnik arbeiten Uhrmacher seit Jahrhunderten. Ich möchte, dass alte Arbeitstechniken nicht verloren gehen!
DM: Magst Du moderne oder Vintage-Uhren?
UK: Neo-Vintage! Mein absolutes Lieblingsuhrwerk ist das Rolex 3135. Ein hervorragendes Uhrwerks, dass von 1988 bis 2008 gebaut wurde. Eine Rolex Datjust oder Submariner mit dem Kaliber 3135 ist mein Favorit!
DM: Wenn Du keine finanziellen Einschränkungen hättest, was wäre Deine drei-Uhr Traumkollektion?
UK: Erwin Sattler Präzionspendeluhr Classica Secunda(1 Sekunde Abweichung pro Monat!), Grönefeld Principia, und Lang & Heyne Friedrich III.
DM: Magst Du Komplikationen bei Uhren und wenn ja, welche ist Dein absoluter Favorit?
UK: Ich arbeite grundsätzlich nach dem Leitspruch des leider schon verstorbenen Uhrmacher-Genies Sir George Daniels. „Der Uhrmacher ist nur der Präzision verpflichtet und sonst nichts“.
Jede Komplikation entzieht dem Uhrwerk Kraft, die zum Schluss dem präzisen Gang fehlt! Aus diesem Grund lieber ohne Komplikation, dafür aber äußerst präzise!
DM: Was sind deine Vorlieben und Abneigungen gegenüber der heutigen Uhrenindustrie?
UK: Ich bin ein Fan von Netzwerken, wie dem Netzwerk der Uhrmacher des Zentralverbandes für Uhren & Zeitmesstechnik. In dem Netzwerk sind nicht nur Uhrmacher sondern auch kleine Uhrenhersteller. Wir tauschen uns aus, und helfen uns gegenseitig bei Problemen!
Leider merkt man vielen Top-Managern der Uhrenindustrie an (zum Glück nicht allen), dass es egal ist ob Uhren, Butter oder Autos verkauft werden, Hauptsache die Rendite stimmt.
DM: Welche Uhrenmarke wird deiner Meinung nach unterschätzt und unterbewertet?
UK: Die Uhrenmanufaktur DAMASKO ist total unterbewertet!
95% aller Teile (bis auf das Glas und das Band) werden inhouse gefertigt.
Die Verarbeitung der Gehäuse ist phänomenal und die selbst konstruierten und gebauten Uhrwerke sind top!
DM: Was magst Du an Fratello bzw. was vermisst Du oder hättest gerne mehr davon?
UK: Es ist für jeden etwas dabei, von günstig bis teuer, von vintage bis neu. Die Mischung ist gut!
Mir fehlt die Rubrik Uhrentechnik, wie z.B. „dem Uhrmacher über die Schulter geschaut“.
Gerade das Thema Uhrentechnik ist für viele Uhrenliebhaber sehr interessant.
DM: Kannst Du uns etwas über deine aktuellen oder zukünftigen Projekte mitteilen?
UK: Es durchlaufen jährlich bis zu 700 Rolex Uhren meine Uhrmacherwerkstatt. Rund die Hälfte davon sind vintage Rolex. Eigentlich hat man bei dieser Masse keine Zeit für neue Projekte! Da ich allerdings von Mitte März bis Mitte April, wie alle anderen Geschäfte in Deutschland, mein Uhrenfachgeschäft wegen der Pandemie schließen musste, hatte ich auf einmal viel Zeit!
Zu dieser Zeit saß ich mit einem meiner Uhrmacher alleine in der Werkstatt und wir haben die restlichen Arbeiten ausgeführt. Da wir beide keine Lust hatten mehrere Wochen zuhause zu bleiben, haben wir angefangen ¾ Platinen für das UNITAS 6498 Uhrwerk nach Glashütter Bauart zu bauen. Daraus sind vier Uhren entstanden. Eigentlich sollte meine Frau, mein Vater, mein Uhrmacher und ich eine bekommen.
Nachdem ich ein paar Fotos auf Instagram und Facebook gepostet hatte, waren alle vier Uhren innerhalb von ein paar Tagen an Uhrenliebhaber verkauft. Das hat mich motiviert weiter zu machen. Es ist mittlerweile eine kleine Kollektion aus vier Uhren entstanden. Demnächst folgt eine bezahlbare Automatik-Uhr mit Keramik-Lünette.
DM: Zum Abschluss: Was würdest Du Leuten, die neu in das Thema Uhren und Uhren sammeln eintauchen, als Ratschlag mit auf den Weg geben?
UK: Bitte glaubt nicht alles, was in den Uhrenforen erzählt wird!